Rezensionen zu "Schubert mit Hammerflügel"

"Ihre Interpretation der Schubert-B-Dur-Sonate ist meisterhaft, bravo! Sie verstehen es, den Streicherflügel zum Singen zu bringen und die große Linie beizubehalten. Magisch das ppp im 1. Satz und die Ausweitung nach C-Dur im zweiten!"
Paul Badura-Skoda, Februar 2010

Piano News Mai 2008
In ein gänzlich neues Klang Gewand kleidet Gerrit Zitterbart die späte Schubert Sonate B Dur D 960 und eine Auswahl von Miniaturen aus Schuberts üppigem Tanzrepertoire aus den Jahren 1817 und 1824/25: Er spielt sie auf einem historischen Hammerflügel mit oberschlägiger Mechanik von Streicher ein. Mehr als nur klangschön ist das Ergebnis: Raffinierte Färbungen entstehen durch den glockenartigen, hellen Klang der hohen Lagen und den insgesamt so obertonreichen Klang des Flügels. Der Pianist und Abegg Trio Mitbegründer Gerrit Zitterbart beweist wieder einmal seine exzellenten pianistischen Fähigkeiten im sensiblen und detailfreudigen Umgang mit den klanglichen und speziellen mechanischen Eigenheiten des selten gespielten Instruments, das ein Jahr nach Schuberts Tod gebaut wurde. Den bekannten frühen Zwei Scherzi D 593 verleiht der silbrig brillante und doch nie scharfe Klang ein ganz neues und sehr passendes Gesicht. Freche Betonungen auf ungeraden Taktzeiten und eine Vielzahl dynamischer Abstufungen sind nur ein Ausschnitt aus Gerrit Zitterbarts unerschöpflicher Gestaltungspalette. In seinem klugen Booklettext vermittelt der Experte für historische Instrumente seine Sicht auf die Deutung der Werke und die Intention, die Stücke auf eben diesem Instrument einzuspielen, und vermutet sicher richtig, dass Schubert von den dynamischen Mitteln des Flügels begeistert gewesen wäre, hätte er ihn nur kennen lernen können. Ein außergewöhnlicher Schubert und ein Muss im CD-Regal.
Isabel Fedrizzi

Klassik heute März 2008
Auf einem Hammerflügel der „Firma“ Nanette Streicher und Sohn aus dem Jahr 1829 spielt, genauer: widmet sich der Pianist Gerrit Zitterbart der letzten Schubert-Sonate (D 960) und einer Auswahl aus dem reichen tänzerischen Repertoire des Komponisten. Es handelt sich um ein sehr eigenwillig klingendes, die Schweizer würden sagen: „tönendes“ Instrument mit liebenswerten, aber auch scheckigen Farben – ganz im Gegensatz zu den vertrauten, sozusagen gelifteten Klangfarben moderner (in Wahrheit auch schon altertümlicher) Konzertflügel à la Steinway, Bösendorfer, Bechstein oder Blüthner. Dieses Klangaroma rückt besonders die Schubertschen Gebrauchstänze, jene gewissermaßen aus dem Ärmel gebeutelten Walzer, „Deutsche“, Ecossaisen und nicht zuletzt die zwei beschwingt, ätzenden, hinter- und untergründigen zwei Scherzi in ein Klima historischer Wahrhaftigkeit. Damit ziele ich nicht auf aufführungspraktische Rechtmäßigkeit, denn diese werden wir Nach- und Spätgeborenen nie und nimmer rekonstruieren können. Aber Zitterbart gelingt es in diesen Vorführungen, die Welt des Privaten, dieses Klima der musikantischen Geborgenheit, der Intimität im Schutz des Freundeskreises nahe zu bringen. Seit Paolo Bordonis schlanken, dezent gefühlvollen EMI-Einspielungen der Tänze, seit Michael Endres’ gekonnter, wissender, im Lebhaften wie im Melancholischen verantwortungsvoll bebender Capriccio-Gesamtaufnahme ist mir diese gelegentlich sogar bitterzart anmutende Zitterbart-Bemühung eine der wichtigsten im Umfeld dieser kostbaren Miniaturen.
Was die B-Dur-Sonate anbelangt, so mag ich dem Interpreten gerne zustimmen im Verlangen nach ausgleichenden Zeitmaßen und Detailverfügungen ohne jedes Anzeichen von nachschöpferischer Extravaganz – ich denke hier an ebenso wegweisende wie irritierende Aufnahmen von Valery Afanassiev (ECM, Denon) oder Sviatoslav Richter (Melodia/Eurodic, bzw. BMG). Mithin: eine reichlich erfreuliche Schubert-Stunde, die auch Zweifler an konservativer Hammerflügel-Behandlung aus der Reserve locken sollte.
Peter Cossé

Klassik.com Februar 2008
Weit mehr als nur ein Klangwerkzeug

Wie selten sind wirkliche Sternstunden im heutigen Tonträgergeschäft geworden! Zumal, wenn es um das so genannte Standardrepertoire geht. Da scheinen fast alle Interpretationsmöglichkeiten ausgereizt, zumindest im Rahmen des ästhetisch Konsensfähigen; eine wirklich durch und durch subjektiv geprägte, konsequent durchgeführte Gestaltung versucht ohnehin kaum jemand – der Gegenwind ist einfach zu groß, wenn man eine radikale Lesart zur Diskussion stellt.
Gerrit Zitterbart ist nun beileibe kein Radikaler, und doch gelingt ihm mit seiner neuen Schubert-Einspielung eine kleine Sensation, eine Platte, die man gehört haben muss – und das lässt sich von jüngeren Veröffentlichungen kaum jemals mit Recht behaupten. Dieses interpretatorische Ereignis ist keines, das sich durch radikal neue Sichtweisen auf Schuberts Klaviermusik auszeichnet, sondern gleichsam ein leises. Die Klasse von Gerrit Zitterbart, seit Jahren einer der musikalisch redlichsten Pianisten, der kaum Aufhebens um seine (große) Kunst macht, präsentiert sich vor allem darin, dass er zum einen alles richtig zu machen scheint, was es bei Schubert richtig zu machen gilt, zum anderen jene Fallen wendig umspielt, in die andere Pianisten so schnell tappen.
Mittel zum Zweck
Sich seit einiger Zeit mit historischen Tasteninstrumenten beschäftigend, hat er für seine Schubert-Einspielung einen ganz dicken Fisch angeln können: ein Hammerklavier aus der Fabrikation Nannette Streicher und Sohn aus dem Jahr 1829. Dieses Instrument ist kein herkömmliches Hammerklavier (wenn man im 19. Jahrhundert von ‘herkömmlich’ sprechen kann angesichts der Fülle von unterschiedlichen Detaillösungen jedes einzelnen Clavierbauers), sondern ein ganz besonderer Schatz, besitzt es doch eine so genannte oberschlägige Mechanik; d.h., der Hammer schlägt die Saite die nicht von unten an, sondern von oben, gleichzeitig befindet sich die Tastatur oben. Dass diese Mechanik nicht nur dem Stimmer einige Geschicklichkeit abverlangt, sondern auch klangliche Raffinessen zu bieten hat, zeigt sich bereits in den ersten Takten der groß dimensionierten B-Dur-Sonate D 960 von Franz Schubert. Der (in der mittleren Lage befindliche) Diskant zeigt eine sehr helle, silbrig leuchtende Klangfarbe, zusätzlich wird dies im oberen Register durch eine dezent klirrende Abtönung ergänzt, ein wunderschöner, ganz einzigartiger Klavierklang.
Gerrit Zitterbart vermeidet (auch in seinem Booklettext) jeden Instrumentenfetischismus und nutzt dieses exzellente Instrument im wörtlichen Sinne als Instrument, als Mittel und Klangwerkzeug nämlich. Was er aber dank seiner pianistischen Fähigkeiten und auch seiner Feinfühligkeit im Umgang mit den klanglichen Eigenarten dieses Hammerflügels erreicht, ist eine Darstellung der B-Dur-Sonate, die vom ersten bis zum letzten Ton restlos überzeugt – und das schafft bei den Ausmaßen dieses Werks kaum jemand. Anders als etwa Malcolm Bilson oder Andreas Staier, die sich ebenfalls mit historischen Instrumenten dieses Brockens annahmen, verliert sich Zitterbart niemals in Details, auch wenn seine Lesart vor kleinen, kaum zu überschätzenden Detailgestaltungen, nur so überquillt. Jene subtilen Modellierungen im Kleinen sind bei Zitterbart verbunden mit einem Blick über die gewaltigen Ausmaße eines Satzes hinweg.
Freilich ermöglichen erst die klanglichen Eigenschaften des Streicher-Flügels einige Gestaltungsmaßnahmen: So kann Zitterbart über eine wirklich kontrastreiche und fein abgestufte Dynamik jene Dramaturgie der Schattierungen erreichen, für deren Darstellung andere Pianisten mit modernen Instrumenten auf agogische Mittel zurückgreifen müssen. Das hier verwendete Instrument scheint für den vollen Klang der B-Dur-Sonate geradezu prädestiniert: Die Bässe kommen ohne verschwimmendes Grummeln punktgenau und haben eine unwiderstehliche Färbung. Davon profitiert etwa der langsame Satz auf unvergleichliche Weise, denn hier wird unmittelbar deutlich, dass die tragende Melodie in der Mittellage von den unterschiedlichen Farben der Register im ganz unteren und höheren Bereich umarmt wird – großartig, und so effektvoll kaum auf einem modernen Konzertflügel darstellbar!
Neben der auf Schritt und Tritt erfahrbaren Vorzügen und Möglichkeiten des Instrumentes ist es aber in ebenso hohem Maße die musikalische Gestaltungskraft Gerrit Zitterbarts, die für das hervorragende Ergebnis einsteht. Wie er Phrasen ohne künstliche Unterbrechung zu Ende bringt, wie Steigerungen erzeugt werden, wie er selbst in der Reprise des Kopfsatzes aus der linken Hand manch nie Gehörtes ans Licht zu bringen vermag, wie er das hüpfende Thema des Finales artikuliert, wie knackig er jene vielmehr wie gegen den Takt gesetzte Akzente klingenden Takteinsen im Trio einmeißelt, wie er ohne die Wunderwaffen des Hammerflügels (Pedalzüge!) dynamische Abstufungen schafft – all dies ist großartig, meisterlich, fabelhaft und kaum genug zu loben.
Freilich kann der Streicher-Flügel in der B-Dur-Sonate sowie auch in den folgenden, ganz unaffektiert gespielten Tänzen seine optimale Wirkung nur dank einer superben Klangtechnik entfalten, die etwa das fast schmerzlich hart klingende f’’’’ ebenso direkt an den Hörer weitergibt wie die silbrigen Mittellagen.
Tobias Pfleger

L'ÉDUCATION MUSICALE (Paris), Februar 2008
Franz SCHUBERT: Sonate B-Dur D 960 - Tänze
Il y a quelque 30 ans, Gerritt Zitterbart a eu un coup de foudre pour la Sonate en sib majeur, op. posth. D 960 (1828) de Schubert. Après avoir d’abord joué cette œuvre célèbre sur un beau piano Bösendorfer Impérial de 1987, il a souhaité l’enregistrer à nouveau sur un fortepiano de Nannette & Johann Baptist Streicher, construit en 1829 - soit un an après la mort du compositeur. Il a été subjugué, non seulement par la date, mais aussi par l’instrument aux sonorités si chantantes. Ce programme comprend - outre cette Sonate en 4 mouvements, interprétée avec infiniment de musicalité - d’autres œuvres de Schubert: deux Scherzi, trois brèves Écossaises, des Danses allemandes et des Valses. L’ensemble se caractérise, à la fois, par la fidélité à l’instrument pour lequel ces pages ont été pensées, par le respect des intentions du compositeur et par le souci de l’expression contenue. Ce CD doit figurer en bonne place dans toutes les discothèques de pianistes et de mélomanes avertis.
Édith WEBER